Am 7./8. Juni trafen sich rund 500 Teilnehmer*innen zum Bundeskongress 2024 in Bad Soden. Unter dem Motto „Wirkstoff Physiotherapie“ fanden zu verschiedenen Schwerpunktthemen aktuelle und praxisnahe Vorträge statt.

Bundeskongress 2024 Wirkstoff Physiotherapie

Die AG GGUP war erstmals mit einem ganzen Themenblock am Freitagnachmittag vertreten. Die Referentinnen der AG gestalteten eine Vortragsreihe auf hohem Niveau!

Unsere Flexibilität wurde durch die Deutsche Bahn ordentlich gefordert, da die Reihenfolge der Vorträge durch maximale Unpünktlichkeit durcheinandergewirbelt wurde. 

Ulla Henscher startete mit ihrem Vortrag: „Paradigmenwechsel – Beckenbodentraining und Sport in der Schwangerschaft“. Die Studienlage verdeutlicht, dass körperliche Aktivität sowohl das Geburtsgewicht des Kindes erhöht als auch die Rate einer operativen Geburtsbeendigung und die Gefahr einer postpartalen Depression reduziert. Entgegen früherer Meinung hat Beckenbodentraining einen geburtsverkürzenden Einfluss und reduziert die Dammschnittrate.

„Beckenboden beim Mann – ein Tabuthema?“ Das Kennen der anatomischen und funktionellen Unterschiede zwischen Mann und Frau, die Fähigkeit die Symptomatik des Patienten differenziert zu betrachten und einzuordnen, das Wissen der physiotherapeutischen Möglichkeiten und ein zeitiger Therapiebeginn ist im interdisziplinären Kontext entscheidend für das Outcome des Patienten. Lebendig und strukturiert gab Petra Linkenbach einen Einblick in die physiotherapeutischen Möglichkeiten nach urologischen und proktologischen Eingriffen beim Mann.

Lucia Sollik beleuchtete in ihrem Vortag „Die Rolle des Beckenbodens in Freizeit- und Leistungssport – Studienlage und Wirkung von gezieltem Beckenbodentraining“
In der Regel ist es eine intraabdominale Druckerhöhung (IAD), die während sportlicher Betätigung den Beckenboden maximal belastet bzw. schädigen kann.
Den Beckenboden bereits präventiv in ein Training einzubinden, die Trainingsintensität zu betrachten, die Atmung in Training und Therapie hinsichtlich einer abdominalen Druckbelastung im Blick zu haben und Wissen über mögliche Beckenbodendysfunktionen schulen das Bewusstsein. Grundsätzliche Trainings- oder Sportverbote gibt es nicht. Das therapeutische Ziel musss sein, dass Patient*innen fit für Alltag und Sport werden ohne sich zu schaden.

„Wirkstoff Sprache“ – Gendersensible Sprache als Ressource in der Physiotherapie“. Nach einer Einführung in die Gender Begriffsbestimmungen und sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zeigt Agnes Wand auf, wie gendersensible Sprache in der Praxis gelebt werden kann. Diese ist wirkungsvoll, um allen eine diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Gendersensible Sprache erkennt soziale und psychische Folgen von Beckenbodenproblemen an und mindert diese. Ebenso dient sie der Förderung selbstbestimmter Sexualität.

„Spezialisierte Physiotherapie in der Urologie, Gynäkologie, Geburtshilfe und Proktologie – im bio-psycho-sozialen Verständnis“. Mit diesem Thema beleuchtet Christiane Rothe, wie Erkrankungen im Bereich der Reproduktion, der Miktion und Defäkation die Teilhabe am sozialen Leben berühren. Bio-psycho-soziale  Faktoren sind nicht eigenständig zu betrachten, sondern sind bei der Entstehung und dem Verlauf von Krankheiten in einer Wechselbeziehung und müssen bei der Behandlung einbezogen und berücksichtigt werden. Eine sich an dem bio-psycho-sozialem Model der WHO orientierende therapeutische Herangehensweise bedeutet für Therapeut*innen eine Herausforderung und gibt ihnen gleichzeitig die Chance, ihre therapeutische Haltung zu reflektieren und die Patient*innen auch bei funktionellen Defiziten zu einer bestmöglichen Alltagsbewältigung und Teilhabe am Leben zu begleiten.

Am Samstagmorgen war Sevinc Türker bei dem Vortragsblock „10 Jahre Fachkommission Physiotherapie Kinder- und Jugendmedizin“ als Vortragende zu Gast. Anhand eines Fallbeispiels gibt sie einen Einblick in die physiotherapeutischen Interventionsmöglichkeiten bei Funktionsstörungen von Blase, Darm und Beckenboden im Kindesalter, um dem Kind eine Entwicklungshilfe in Bezug auf seine Ausscheidungsautonomie zu geben und Kontinenz zu erlangen.

Das Get Together am Freitagabend bot allen Beteiligten eine gute Möglichkeit sich auszutauschen und Kontakte neu zu knüpfen und zu vertiefen.

Ein gelungener Kongress und gute Stimmung machten die beiden Tage zu einem Erlebnis!

Text: Ulrike Gumbmann